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Wenn das Contra auch ein Pro ist

Kommentar zu „Pro & Contra. Brauchen wir eine Frauenquote in der Forschung?“

Die Telekom führt als erstes Dax-Unternehmen in Deutschland eine Frauenquote ein. Die „Zeit“ fragt in dem Beitrag „Pro & Contra. Brauchen wir eine Frauenquote in der Forschung?“, ob die Wissenschaft diesem Beispiel folgen sollte. Zwei Positionen werden gegenübergestellt, um den Anschein von Meinungsvielfalt und Diskussion zu erwecken.

Ernst Rietschel, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, ist ein Befürworter von Frauenquoten. Mit ihrer Hilfe soll die Unterrepräsentanz von Frauen in der Wissenschaft aufgehoben werden. Dass diese Unterrepräsentanz nicht die Folge von Frauendiskriminierung sein kann, sondern davon, dass es in bestimmten wissenschaftlichen Bereichen oder Fächern mehr besser qualifizierte Männer als Frauen gibt, kommt Herrn Rietschel nicht in den Sinn.

Er möchte, dass Quotenfrauen in der Wissenschaft Frauen-Netzwerke aufbauen: „Solche Frauen-Netzwerke sind absolut essenziell, um das Haupthindernis auf dem Weg in Führungspositionen - nämlich (unbewusste) Männer-Machtseilschaften – zu überwinden.“ Zunächst irritiert hier das Wort „unbewusst“. Hält er Wissenschaftler für Idioten, die sich ihres Tuns nicht bewusst sind? Sind sie Marionetten eines unterschwellig wirkenden Patriarchats?

Des Weiteren gibt Herr Rietschel kein einziges konkretes Beispiel für eine Männer-Machtseilschaft in der Wissenschaft (mir persönlich ist keine einzige Männer-Machtseilschaft an den deutschen Universitäten bekannt). Seine Äußerung stellt somit eine unfaire Unterstellung, eigentlich eine Beleidigung der Wissenschaftler dar. Es verwundert, dass sich Wissenschaftler gegen solche Beleidigungen nicht wehren. Die Legende von den Männer-Machtseilschaften oder Männer-Netzwerken in der Wissenschaft wird hartnäckig aufrechterhalten, um die Einrichtung von staatlich geförderten Frauen-Netzwerken und damit von weiteren Stellen in der Gleichstellungsbürokratie zu rechtfertigen.

Herrn Rietschel schwebt in naher Zukunft eine „Geschlechterparität in der Wissenschaft“ vor. Frauen und Männer in der Wissenschaft werden von ihm offenbar als Repräsentanten ihres Geschlechts betrachtet und nicht als Forscher, denen es unabhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit um den Fortschritt der Wissenschaft geht. Er schlägt vor, „Zielgrößen“ für Quoten zu vereinbaren und „Sanktionen für das Nichterreichen dieser Ziele“ festzulegen. Das ist sein Verstädnis von Freiheit der Wissenschaft.

Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, vertritt die „Contra“-Position. Sie spricht sich gegen Quoten aus, weil durch ihre Einführung Wissenschaftlerinnen dem pauschalen Verdacht ausgesetzt würden, Quotenfrauen zu sein. Gleichwohl betont sie, dass Hochschulen die Gleichstellungspolitik zu ihrem zentralen Anliegen machen sollen. Sie spricht sich anstatt für Quoten für ein „Kaskadenmodell“ aus: „Ausgangspunkt sollten die heutigen Frauenanteile sein – auf den verschiedenen Qualifikationsstufen und in den verschiedenen Fachdisziplinen. Die Anteile auf den einzelnen Qualifikationsebenen sollten sich daran orientieren, was auf der jeweils niedrigeren Ebene erreicht wurde.“

Wenn ich das richtig verstehe, läuft dieses Modell ebenfalls auf eine Quote hinaus: Wenn es in einem Fach 50 Prozent Studentinnen beziehungsweise Absolventinnen gibt, soll es dort auf der nächsthöheren Ebene 50 Prozent Assistentinnen oder wissenschaftliche Mitarbeiterinnen geben. Wenn es in einem Fach 50 Prozent Assistentinnen gibt, soll es dort auf der nächsthöheren Ebene 50 Prozent Professorinnen geben.

Die Anzahl von Assistentinnen und Professorinnen soll proportional zur Anzahl von Studentinnen sein. Hier handelt es sich eindeutig um einen Fehlschluss: Aus der Tatsache, dass in einem Fach 50 Prozent der Studiereden Frauen sind, wird auf die Forderung, 50 Prozent der Assistentenstellen und Professuren sollten von Frauen besetzt sein, geschlossen. Es besteht kein logisch zwingender Zusammenhang zwischen der Anzahl von Studentinnen und der Anzahl von Assistentinnen, zwischen der Anzahl von Assistentinnen und der Anzahl von Professorinnen. Mit anderen Worten: Aus einer bestimmten Anzahl von Studentinnen folgt nicht zwingend eine entsprechende, proportionale Anzahl von Assistentinnen usw. Auch wenn 90 Prozent der Studierenden Frauen wären, könnten alle Assistentellen und auf der nächsthöheren Ebene alle Professuren an Männer vergeben werden, nämlich dann, wenn sie besser qualifiziert wären als ihre weiblichen Mitbewerber.

Die „Zeit“ bietet dem Leser keine Alternative zu Quote und Gleichstellung. Starke Argumente gegen Quoten werden dort nicht vorgetragen. Solche Argumente gibt es. Das bekannteste und plausibelste von ihnen lautet: Bei der Besetzung von Stellen in der Wissenschaft sollte nur die Qualifikation der Bewerber in Betracht gezogen werden. Ihre Gruppenzugehörigkeit sollte dabei überhaupt keine Rolle spielen. Eine wissenschaftliche Stelle sollte diejenige Person bekommen, die für diese Stelle am besten qualifiziert ist, und zwar unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Hautfarbe, sexueller Orientierung, Parteizugehörigkeit, Religionszugehörigkeit usw. Dieses Argument findet man in dem Kommentarbereich des „Zeit“-Artikels. Das „gemeine Volk“ dort hat offensichtlich mehr Verstand als Professoren und Entscheidungsträger in der Wissenschaft.

Alexander Ulfig
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