www.streitbar.eu Forum für unabhängiges Denken
../../index.html
../../downloads.html
../../kontakt.html
../../impressum.html
../../links.html
Prof. Dr. Gerhard Amendt

Aufdringlicher Konservativismus. Über Frauenquoten und andere unverdiente Beförderungen

Quotenpolitik ist vordergründig als Debatte über Gerechtigkeit angelegt. Unterstellt wird, dass Frauen von Männern am Arbeitsmarkt diskriminiert werden und damit ihre Gleichheitsrechte eingeschränkt werden. Quotenpolitik wird in einer Zeit propagiert, in der Frauen angesichts demografisch bedingter Verknappung von qualifizierten Arbeitskräften mit allen Mitteln in den Arbeitsprozess integriert werden sollen. Zwang scheint Politikern angezeigt, weil die Bedingungen sich verschärft haben, unter denen erhebliche Teile von Frauen willens sind, langfristig in den Arbeitsmarkt einzutreten. Zweifellos sind die Eintrittsbedingungen dieser Frauen anspruchsvoller als die von „einfachen Hausfrauen“ in den 50iger Jahren zur Zeit großen ökonomischen Nachholbedarfs.

Für viele Akademikerinnen unterliegt das Einkommen aus Berufstätigkeit offensichtlich einem zweifachen Abwägungsverhältnis. Einmal geht es um die Zurücksetzung der Kinder durch einkommensschöpfende Arbeit. Zum anderen geht es um den persönlichen Verlust der Erfahrung gemeinsam verbrachter Zeit mit Kindern in deren frühen Lebensjahren. Die Frage wird gestellt: wozu Kinder haben, wenn man nichts von ihnen hat? Viele Frauen scheinen nicht ohne weiteres bereit, den Preis des Verzichtes auf Gemeinsamkeit mit Kindern zu entrichten, den Väter seit Menschengedenken zu zahlen gewohnt sind: nämlich beschränkte Zeit mit Kindern. So kann auf einem hohen Niveau der Lebensgestaltung die Berufsorientierung vieler Frauen heute in eine grenzwertige Abwägung geraten, die gegen die Teilnahme am Arbeitsmarkt „mit ganzem Herzen und aller Kraft“ ausschlägt. In diesem Abwägungsverhältnis dürfte in Deutschland der entscheidende kulturelle Grund liegen, warum Frauen ihre Arbeitskraft nicht mit langfristiger Entschlossenheit dem Markt zur Verfügung stellen, wie das erforderlich wäre und in Ländern wie Frankreich praktiziert wird.

Was für Männer selbstverständlich ist und zu deren Standardbiografie gehört, dazu sollen Frauen demnächst gezwungen werden. Diese hoch ambivalente Entscheidungssituation gilt nur für akademisch gebildete Frauen mit hohem ehelichen Lebensstandard, der diese finanzielle Abwägung möglich macht. Aus den USA wissen wir, dass die „nur Hausfrau mit akademischer Bildung“ nur praktiziert werden kann, wenn deren Ehemänner in Spitzenpositionen tätig sind. Für Großteile der Mittelklasse und die unteren Einkommensgruppen besteht ein solches Abwägungsverhältnis schon lange nicht mehr. Väter und Mütter müssen beide ganztags arbeiten, um ihren Kindern zumindest ihr eigenes Bildungsniveau zu ermöglichen.

Die Verkleidung von Arbeitsmarkterfordernissen in eine Frauen fördernde Rhetorik lässt erkennen, dass Politiker sich darüber im klaren sind, dass ökonomische Anreize wie frühe außerfamiliäre kindliche Versorgung und ein Leben in professionellen Milieus für viele Akademikerinnen nicht hinreichend motivierend sind. Je nach dem Grad der Wertschätzung von Kindern und der Empathie für kindliche Bedürfnisse wird die arbeitsmarktdistanzierte Frau deshalb als politisch konservativ oder rückschrittlich klassifiziert. Was früher Frauen den Vorwurf der „Rabenmutter“ eintrug, wird heute zur unentrinnbaren Norm von Autonomie erklärt. Letzlich geht es darum, ob Frauen größere Befriedigung aus der beruflichen Arbeit bei gleichzeitiger Nutzung vergesellschafteter Kinderversorgung beziehen. Oder ob sie - und der Ehemann - größere Zufriedenheit aus der Gemeinsamkeit der Mutter mit Kindern zumindest in den frühen Lebensjahren beziehen. Teilzeitarbeit ist dazu lediglich eine Zwischenform.

Politik, die dieses Entscheidungsdilemma verkennt oder nicht thematisieren will, sieht in der unverdienten Erhöhung von Frauen in aufmerksamkeitsträchtige Spitzenpositionen eine erfolgversprechende Lösung. Im sozialdemokratischen und grünen Denken wird das durch die ideologisch anmutende Vorentscheidung kaschiert, dass Freiheit und Selbstständigkeit für Frauen allein durch volle Berufstätigkeit und vergesellschaftete Kindererziehung zu haben seien. Zu diesem Ideologiekomplex zählt die schon bei Marx und Engels vorgeschlagene Zerschlagung der Familie als vermeintliche Instanz von Repression. Äußerst konsequent gerät das Alleinerziehen zur komplementären Strategie weiblicher Autonomieentwicklung, wobei die damit einhergehenden lebenslangen Belastungen und Isolation der Frauen, vor allem aber die der Kinder verleugnet werden.1

Letztlich verweist diese Perspektive auf das Parteiprogramm der SPD, wonach die menschliche Gesellschaft nur haben kann, wer die männliche überwindet. Statt die fesselnde Wirkung Frauen idealisierender Ideologeme zu beenden, die über den Nationalsozialismus zurück in die deutsche Romantik reichen, werden sie abermals unter eine Frauen verherrlichende Normativität gestellt. Sie sollen nicht mehr und nicht weniger als den Humanismus „verkörpern“. Gesellschaftspolitik ohne Idealsierung von Frauen ist in Deutschland2 offenbar nicht möglich. Und weil jede Idealsierung immer ein komplementäres Entwertungselement enthält, kommt es zur Abwertung des Männlichen und des Väterlichen, wie wir es seit dreißig Jahren beobachten können.3

Das Austrocknen des Arbeitsmarktes soll verhindert werden, indem akademisch gebildete Frauen mit guten Argumenten und symbolisch gehaltvollen Gesten in den Arbeitsprozess „gelockt“ werden. Massive steuerpolitische Maßnahmen zur Erzwingung solcher Beteiligung sollen sich dadurch erübrigen. Ebenso soll der Eindruck vermieden werden, dass Strategien der implodierten sozialistischen Systeme zum Bestandteil demokratischer Politik werden. Vorab scheint es allerdings für ausgeschlossen gehalten zu werden, dass Frauen über die Arbeitsmarktsituation der Zukunft aufgeklärt sich für eine verbindliche Berufstätigkeit aus Einsicht in diese Notwendigkeit entschließen.

Darüber hinaus könnte Quotenpolitik jenseits des gegenwärtigen Anlasses durchaus zum gängigen Instrument werden, um über Eingriffe in den Arbeitsmarkt Statuszuweisungen zu organisieren. Eben Eingriffe, die sich jenseits der gängigen Feinjustierungen – wie der Kündigungsvermeidung während der Krise 2008 - bewegen. Das Recht der freien Berufswahl und –ausübung würde dadurch tendenziell eingeschränkt. Darüber hinaus würden mannigfaltige Quotierungsmodelle eine staatlich verordnete Strukturierung der Gesellschaft begünstigen. Unter Umgehung von Bildungsstandards und beruflicher Qualifizierung könnten Angehörige politisch relevanter Gruppen in bestimmte Berufe eingegliedert werden. Das könnte für Einwanderer gelten, um deren Integration zu beschleunigen. In den USA wurden solche Quotierungsprogramme vor mehr als dreißig Jahren für Afro-Amerikaner an Eliteuniversitäten wie Kalifornien und Chicago praktiziert, aber wegen mangelnden Erfolgs und der damit verbundenen Zurücksetzung besser qualifizierter Bewerber abgebrochen.

Da es bei staatlichen Interventionen zur Zeit um die Bevorteilung von Frauen zu Lasten anderer geht, ist aus wahlpolitischen Aspekten damit zu rechnen, dass ausschließlich begehrenswerte Berufe quotiert werden. Damit würde sich die Konzentrierung von Männern in Berufen verschärfen, die für Frauen nicht begehrenswert sind oder aus mangelnder Eignung oder Motivation gemieden werden. Es würde die paradoxe Reaktion entstehen, dass Frauen weiterhin technische Berufe trotz zahlreicher Förder- und Motivationsprogramme meiden. Disparitäten würden nicht nur fortgeschrieben, sondern noch mehr Männer als bisher würden die Entwicklung des Fortschritts im technischen Bereich übernehmen und sich dafür die technischen Befähigungen aneignen. Freie Berufswahl und Quotierung führen zu einer Arbeitsmarktentwicklung hin zu typisch männlichen und typisch weiblichen Berufen. Genau das, was eigentlich vermieden werden soll. Eine Quote für Frauen wäre ein zusätzlicher Beschleuniger des Prozesses zu frauen- und männerspezifischen Berufsvorlieben.

Quoten oder Arrangement der Geschlechter

Die entscheidenden Fragen, die hier erörtert werden sollen, handeln von den vernachlässigten Auswirkungen, die eine gleichheitsrechtlich kaschierte Arbeitsmarktpolitik auf die Beziehung der Geschlechter, nämlich deren Lebensstile, haben könnte. Die mannigfaltigen Lebensstile sollen als jeweiliges Arrangement der Geschlechter4 bezeichnet werden. Arrangement bezieht sich auf die zahllosen Wechselwirkungen im soziologischen, interaktiven, psychologischen und psychodynamischen Bereich, die Männer und Frauen in jeder Situation beständig eingehen. Dieser Ansatz ist der in der Politik gegenwärtig verbreiteten Vorstellung einer Polarisierung in Täter und Opfer, ohnmächtige Frauen und allmächtige Männer, als vermeintlichem Strukturmerkmal entgegengesetzt. Der Begriff vom Geschlechterarrangement geht davon aus, dass Männer wie Frauen in ihren gemeinsamen Beziehungen nicht nur ihres Glückes, sondern auch ihres Unglücks eigener Schmied sind. Und das gilt für alle Lebensbereiche. Der Begriff steht dem theoretischen Defätismus einer bipolar phantasierten Gesellschaft entgegen, wie er „Geschlechterpolitik“ beherrscht.

Um die Auswirkungen des Arrangements der Geschlechter auf ihre Lebensstile zu verstehen, sollen einige Argumente der Frauenförderung analysiert werden. Zumal Politik in Kauf nimmt, dass die Eingliederung hochqualifizierter Frauen in den Arbeitsprozess durch eine mediale Polarsierung von Männern und Frauen erreicht werden soll. Die politische Rhetorik lautet, dass Frauen durch Diskriminierung am Aufstieg in avancierte Positionen gehindert würden. Ihre Teilhabe am Arbeitsleben sei deshalb als emanzipatorischer Sieg über diskriminierungsbereite feindliche Männer zu sehen.

Allerdings hat das Diskriminierungsargument bislang keine überzeugende empirische Bestätigung gefunden. Deshalb wurde die Argumentation verlagert. So heißt es jetzt, dass Frauen sich auf Karrieren vorbereiten müssen und dass dies maßgeblich dadurch gefördert werden könnte, dass erfolgreiche Frauen ihnen zur Identifikation zur Verfügung gestellt würden: eben Quotenfrauen. Ein intergenerationeller Effekt wird unterstellt. Damit wird eingeräumt, dass nicht Diskriminierung der entscheidende Grund für die Quote ist. Vielmehr sollen „vorbildliche Frauen in exponierter Stellung“, wie weiland in der DDR die Helden der Arbeit, zu mehr Aufstiegsmotivation anstacheln.

Der Mangel an solchem Streben nach höchsten Positionen wird durch eine Umfrage von Accenture5 bestätigt. Danach hegt nur jede vierte Frau Aufstiegswünsche, weil sie mit ihrer gegenwärtigen Berufssituation zufrieden sind. Nur knapp 28 Prozent der Frauen wollen ihre Karriere vorantreiben. Unter den Männern will das hingegen jeder zweite. Berufliche Veränderungswünsche von Frauen scheinen generell geringfügiger ausgeprägt als bei Männern.

Identifikation als Befreiungsschlag: „Goldene Röcke“

Quotenfrauen in Spitzenpositionen sollen hochqualifizierte aber arbeitsmarktresistente Frauen dazu verführen, keiner Halbtagsarbeit nachzugehen und dem Leben mit Kindern keine Priorität einzuräumen. Vielmehr soll der Wunsch nach vollständiger Integration gefördert werden. Volkswirtschaftlich wird das damit begründet, dass gebildete Frauen, die sich über mehrere Jahre der Kindererziehung widmen, nicht nur dem Arbeitsmarkt entzogen werden, sondern dass deren Ausbildung sich „nicht rentiere“. Allerdings trifft das nur in begrenztem Maße zu. Denn akademische Bildung ist zu einem wesentlichen Teil jenseits des Erwerbs von Fachlichem, wie Geschichte, Pädagogik, Technik oder Medizin, mit der Entwicklung hochwertiger extrafunktionaler Fähigkeiten verbunden. Sie werden an die Kinder durch Erziehung vermittelt. Dazu gehören Verbalisierungsfähigkeit, Selbstreflexion, Selbstmanagement, Eigenverantwortung, systematisches Denken, Empathie; eben alle Fähigkeiten, die in den unteren Schichten weit geringfügiger oder überhaupt nicht ausgebildet werden können.

Im Wesentlichen unterscheidet das die bildungsfernen von bildungsnahen Erziehungsstilen. Die Weitergabe privilegierter Erziehung von einer zu anderen Generation erhält dadurch ihre Kontinuität. Sie rechnet sich demnach auch volkswirtschaftlich. Im Übrigen sollte es eine Entscheidung des Einzelnen bleiben, ob er die Kosten seiner Ausbildung gänzlich oder nur teilweise amortisiert sehen möchte. Alles deutet jedoch darauf hin, dass an die Stelle der Zwangsrekrutierung für den Arbeitsmarkt eine verführerische und narzisstisch beflügelnde Rekrutierung treten soll. Was ist aber das Wesen dieser Verführung, an welchen Wünschen von gut ausgebildeten Frauen setzt sie an und welches Bild von Frauen wird von Quotenförderern dabei zu Grunde gelegt?

In den skandinavischen Ländern werden Quoteninhaber in Aufsichtsräten und Vorständen als Frauen in Golden Skirts tituliert. Sinnigerweise hat sich diese Bezeichnung durchgesetzt, die ein Vorbote einer süffisanten Kommentierungskultur ist. Denn dieser Begriff ist vieldeutig. So gilt das Material des Rockes als Gold wert, aber zugleich ist der Rock auch ein modisches Indiz und damit für Frauen etwas nur saisonal Bedeutsames. Er ist ein wertvolles Stück zum Schmücken, das zur Bewunderung aufruft. Er ist Mode. Er bringt eine besondere Wertigkeit zum Ausdruck, die ausgesprochen weiblich ist. Leistungsanerkennung wird damit gerade nicht ausgedrückt, noch symbolisiert, sondern lediglich ein modisches Alltagsgebaren.

Somit wird das Erarbeiten von höchstem Einkommen und sozialem Status mit dem Kauf und dem Tragen eines goldenen Rockes gleichgesetzt. Darin liegt etwas Reales, was das Einkommen und den Status betrifft, aber auch etwas Abschätziges. Denn es wird unterstellt, dass höchste Berufsqualifikation und zielstrebiges Hocharbeiten wie ein modisches Kleidungsstück sich „auswählen“ lassen. Und als ließe sich dieser goldene Rock wie ein leid gewordenes Modeaccessoire jederzeit ablegen und durch das nächste ersetzen. Die Assoziation verlegt Aufsichtsratspositionen in den Bereich von saisonalem Modekonsum. Das zähe Heraufarbeiten zum Erfolg unter strapaziösen Bedingungen wird unterschlagen und mit der Spontaneität eines Boutiquenbesuchs gleichgesetzt.

Das ist wenig schmeichelhaft, weil es Frauen unterstellt, professionelle Anforderungen zu vernachlässigen und berufliche Verantwortung mit Modewünschen zu verwechseln. Offenbar haben jedoch Frauen, die Quoten politisch fordern, ein hämisches oder zynisch gebrochenes Verhältnis zu den Anforderungen an Leitungspersonal. Deshalb argumentieren sie äußerst konsequent, wenn sie mit naiven Identifikationsangeboten von erfolgreichen Frauen auf Hochglanzbildern andere Frauen zu Spitzenpositionen „verführen“ wollen. Sie argumentieren nicht mit den harten Anforderungen, die zu bewältigen sind.

Die leistungsscheue Naivität von Quotenprotagonisten könnte damit zusammenhängen, dass viele von ihnen den Zugang zur männlichen Berufswelt weitgehend nur über Identifikation kennen. Sie machten sich ihr eigenes Bild von der Berufswelt der Männer, wie sie aussehen und funktionieren könnte, aber sie haben weder eine Fabrik, ein Bergwerk noch ein Büro betreten. Identifikation ist offenbar der Weg der Quotenverfechter, sich die männliche Alltagsrealität vorstellbar zu machen. Es ist eine Phantasiewelt, an der sie nicht beteiligt sind. Sie ist ihnen unattraktiv. Die Identifikation mit dem schönen Schein dient als Schutz vor dem männlichen Ernst des Arbeitslebens.

Identifikation wie im Kino

Das Argument von den erfolgreichen Frauen, die vor allem der jüngeren Frauengeneration ein Vorbild sein sollen, bedient sich dieses einfachen Mechanismus der Identifikation, der – wie gesagt – die sinnliche Erfahrung der fremden Welt weitgehend äußerlich bleibt. Die Protagonisten der Quote sind offensichtlich davon überzeugt, dass der Mechanismus der Identifikation für Frauen ausreiche, um sie für höhere Zwecke zu motivieren.

Das Problem der Realitätsferne von Quotenprotagonisten legt narzisstische Selbstbefassung und Oberflächenhaftigkeit (nicht Oberflächlichkeit) nahe. Diese übertragen sie auf Frauen, die sie in Toppositionen sehen möchten. Dieses Selbstbild bezieht sich eben nicht auf berufliche Realität, sondern ähnelt idealisierten Vorstellungen von Weiblichkeit wie wir sie aus den Massenmedien kennen. Es sind Identifikationen wie sie Zuschauer über den Kapitän vom Traumschiff und seine weiblichen Offiziere hegen mögen oder weiblichen Inspektoren der Polizei bei der Küstenwache. Von Sex and the City ganz zu schweigen. Diese Phantasiewelt hat weder etwas mit der Lebenswirklichkeit des Personals auf dem Traumschiff noch mit der von Führungskräften auf der „Brücke“ etwas gemein.6

Die narzisstische Projektion, das freudige Nacheifern, zeichnet sich dadurch aus, dass die Anforderungen an Selbstmanagement, Gelassenheit, Durchsetzungsvermögen, Stressresistenz und Teamorientierung als Voraussetzungen für Erfolg gar nicht erst wahrgenommen werden. Dass der Weg zum Erfolg mit Anstrengungen unter scharfer Konkurrenz und frustrierenden Rückschlägen gepflastert ist, unterliegt der Verleugnung.7 Diese Realitätsblindheit rührt wohl daher, dass viele Quotenprotagonisten in Organisationen verankert sind, in denen sie den Status oder die Funktion der Quotenfrau selber innehaben. Oder sie gehen aus politischen Familiendynastien hervor und gelangen dadurch jenseits der Karrierebewährung zu Amt und Würde. Leistungsgebundener Aufstieg ist ihnen deshalb fremd.

Allgemein lässt sich sagen, dass die Bereitschaft, Quoten zu akzeptieren, um so größer ist, je weniger der Erfolg oder die Existenz eines Betriebes oder einer Institution von Marktperformance abhängt. Das trifft auf das öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehsystem, Bürokratien, politische Parteien, Kirchen, Schulen und Teile der Geisteswissenschaft zu. Die Vernachlässigung von Qualifikationen lässt sich als Kontamination des Auswahlverfahrens nach Leistungskriterien beschreiben. Solche Kontaminationen sind umso stärker verbreitet, je weniger Erfolg nachgewiesen werden muss. Solch kontaminierende Faktoren können der Nachweis der Zugehörigkeit zu einer Partei- oder Religion, ebenso soziale Herkunft, Landsmannschaft, Klassenzugehörigkeit sein. Sie begegnen auch Frauen. Sie müssen sie wie alle anderen erfüllen, weil sie üblich sind und alle Bewerber ereilen. Sie sind keine Diskriminierung, sondern betriebstypische Selektionskriterien, die der Betriebskultur und -tradition angepasst sind.

Allerdings kann es auch handfeste Diskriminierungen geben. Aber auch diese Erfahrung ist nicht auf Frauen beschränkt. So galt in der Vergangenheit, dass Medizinstudenten der Arbeiterschicht in Österreich schwerer Zugang zur Facharztausbildung als die Kinder der Ärzte fanden. Aufsteiger stoßen besonders häufig auf defensive Kulturen von Statusinhabern. Das ist hinlänglich bekannt.

Quote - ein Instrument der Abschöpfung qualifizierter Arbeitskräfte? Oder: „Genitalquote“8

Immer mehr gerät in der exaltierten Debatte in den Hintergrund, wozu die Quote jenseits einer auf mehrere Jahre beschränkten Einzelförderung von Frauen tauglich sein soll. Kommt es nämlich nicht zu einem strukturbildenden Effekt, dann wird die Einzelförderung zum Bürokratieprojekt ohne Ende. Dem könnte nur vorgebeugt werden, wenn sich der Nachweis führen ließe, dass die Einzelförderung nicht nur der politischen Kosmetik dient, sondern über Generationen hinaus Frauen die extrafunktionalen Fähigkeiten vermitteln würde, der sie erwiesenermaßen noch immer ermangeln. Die Quote als zukünftiges Bürokratieprojekt ist in dem Mechanismus begründet, der das Vorbild über den Vorgang der Identifikation an Frauen heranführen möchte. Der ist aber deckungsgleich und erschöpft sich in Kurzfristigkeit wie der Anreiz, der von Frauen in Schaufenstern oder Frauenmagazinen wie Brigitte, Elle oder Claudia Schiffer oder Naomi Campbell ausgeht. Zum Kauf von Tagescreme, Garderoben jeglicher Art oder Putzmittel eignet er sich nachweislich allemal. Realitätsfremd und abschätzig daran ist, dass dieser Mechanismus für den Erwerb beruflicher Exzellenz als gleichermaßen ausreichend gelten soll, obwohl er nur besagt: Ich will so sein, wie die, ich will haben, was sie hat, ich will die Brüste haben, die sie hat, die Schminke oder - den Sitz im Aufsichtsrat oder im Vorstand mit Chauffeur und Golfclubmitgliedschaft.

Der Vorgang der „Aneignung“ durch Identifikation hat etwas Vordergründiges, weil er sich auf Äußerlichkeiten bezieht. Es ist ein Vorgang der Anlehnung, aber keiner des Selbstbewusstseins, der Autonomie und Arbeit. Entwicklungspsychologisch steht er deshalb in der Nähe zum Kindlichen. Somit ist er für Erwachsene nicht mehr angemessen und äußerst ungeeignet, betriebliche Anforderungen für Spitzenkräfte zu „verkörpern“. Der Vorgang ähnelt der Welt der kleinen Kinder, die sich darüber die fremde Welt in ihrer Buntheit aneignen. Später folgen dann komplexe Vorgänge, diese Welt nicht nur zu sehen, sondern sie auch zu verstehen. Wenn Erwachsene danach verfahren, dann zeugt das von kindlicher Naivität. Jeder Kinobesucher wird sich mit Figuren des Films vorübergehend identifizieren und dann zur Wirklichkeit zurückkehren.

Wenn Jugendliche nach gewalttätigen Filmen selber gewalttätig werden, dann heißt das, dass sie aus dem Zustand der Identifikation mit gewalttätigen Helden keinen Ausweg fanden und deren Spiel außerhalb des Kinos fortführen. Sie werden gewalttätig und verkennen zu ihrem Nachteil die Realität, denn sie gefährden sich selber und andere. Weil es sich hier um eine simple Imitation mit anderen handelt, wird bei der Identifikation auch ein Moment des Neides erkennbar auf das, was der andere hat und das einem selber noch fehlt. Solcher Neid ist keineswegs problematisch, soweit die Bereitschaft besteht, sich das Begehrte, um das der andere beneidet wird, durch eigene Arbeit zuzulegen. Über den Vorgang der Identifikation geht das allerdings nicht. Zumal alles Nähere der Anforderungen an Aufsichtsräte und Vorstände das Aktienrecht regelt und nicht der visualisierte „goldene Rock“.

In den skandinavischen Ländern hat sich dieser Begriff durchgesetzt, weil er das narzisstisch Wohlgefällige in den Mittelpunkt rückt wie es Frauenzeitschriften zur Verkaufsförderung nutzen, und weil es dem weiblichen mehr als dem männlichen Narzissmus eigen ist. Dass Frauen bestimmte Voraussetzungen für Managementerfolge fehlen, sei deshalb unerheblich, weil sich darum die Quotenbürokratie kümmere. Ganz so, als hätten Frauen damit jemanden gefunden, der ihnen einen heiß begehrten Wunsch von den Lippen abliest. Und den man sich bekanntermaßen nicht selber erfüllen muss. Müssten Frauen es selber tun, so würde das den narzisstischen Genuss der Wunscherfüllung erheblich schmälern. Deshalb haben Frauen für geschenkte Diamanten auch eine ungleich höhere Wertschätzung als für solche, die sie mit selbst verdientem Geld erwerben.

Mögen Frauen unter den Quotenproponenten dieser privaten Geschenkpsychologie unterschwellig eine Verlängerung ins Berufsleben mit heißem Herzen wünschen, wofür einiges spricht, so wird - trotz skandinavischer Goldröcke9 – dieser Wunsch keine Zukunft haben. Denn offenbar ist die Mehrheit der jungen Frauen am Realitätsprinzip der äußeren Welt der Berufe orientiert und nicht daran, höchste Beglückung aus Männerhand wie früher zu Mutters und Großmutters Zeiten zu erwarten. Auf der Ebene der Kultur ist die Quotenperspektive ein Rückschritt und auf der Ebene des Psychischen eine Regression zu traditionellen Arrangements von Männern und Frauen, die sie wiederbeleben möchten. Sie könnte durchaus der Angst vor allzu viel ungewohnter übergroßer Verantwortung als Folge neuer Freiheiten (Bruno Bettelheim) zugeschrieben werden.

Die Quotendebatte stellt sich damit als ein Teil einer weiter gefassten „triumphalistischen Rhetorik“10 dar, die Erfolge für Frauen beansprucht, die erst am Ende erfolgreicher Veränderungen sich einstellen können. Eigentlich handelt es sich dabei bislang nur um eine Verlagerung von Althergebrachtem aus der privaten in die öffentliche und berufliche Sphäre. Und weil Männer das intuitiv merken, ziehen sie es vor, es zu beschweigen. Es verändert die alten Arrangements nicht, wenn Frauen sich in männlichen Terrains zwar tummeln, aber darauf verzichten, zu Konkurrenten und Trägern von höchster Verantwortung mit den größten Risiken für das Selbstwertgefühl zu werden. Quotenfrauen können für jüngere Frauen deshalb auch nicht zur Verkörperung lang erarbeiteten Erfolgs werden. Denn was man nicht ist, kann man nicht verkörpern. Quotenerfolge lassen deshalb die Generation jüngerer Frauen weitgehend ungerührt. Unter jungen Männern führt sie hingegen zu sprachloser Irritation.

Die Auswirkung der Quote auf die Töchter- und Sohnesgeneration

Mit dem Hinweis auf Diskriminierung am Arbeitsplatz wurde Quotenpolitik anfänglich legitimiert. Weil die Argumente nicht belastbar waren, sind sie stillschweigend untergegangen. In jüngster Zeit werden die Begründungen immer beliebiger.

So versucht die Journalistin Tanja Kewes im Handelsblatt analog zur Stuttgart-21-Bewegung “Die Wutbürgerin”11 ins Leben zu rufen, um zwischen den Anpassungsproblemen von Aufsteigern und der Umweltbewegung eine poltische Allianz zu schmieden. Frauen seien es „leid“, „fachlich doppelt so gut sein zu müssen, um Karriere zu machen, sich für alles und nichts verteidigen zu müssen – wie ihren zu kurzen Rock …, ihre Kinderlosigkeit, ihre Härte, ihre Strukturiertheit“. Höhere Anforderungen an Neuankömmlinge, seien es Väter am Kinderspielplatz oder am heimischen Herd mit Anspruch auf erweiterte Erziehungsbeteiligung, treffen diese Aufforderungen ebenso.

Das mütterliche Einflussmonopol auf die kindliche Lebenswelt macht ihnen das Leben schwer. Statusinhaber tun sich immer schwer, artfremde Neulinge in ihrer Gruppe zu integrieren - egal ob Männer am Spielplatz oder Frauen im Betriebsmanagement. Das ist besonders dann der Fall, wenn Neulinge mit Heilsversprechen12 aufwarten, wonach sie für eine bessere Zukunft stünden und das Nachteilige der Vergangenheit ebenso verhindert hätten. So wäre die Finanzkrise von 2008 auf Grund weiblicher Tugendhaftigkeit vermeintlicherweise erst gar nicht entstanden. Karl Marx hatte die proletarische Revolution als den Beginn des Reiches der Freiheit entworfen, der Eintritt der Frauen in Vorstände und Aufsichtsräte wird hingegen ins Reich der finanziellen Krisenfreiheit gerückt.13

Den Potpourri beliebiger Begründungen erweitert die österreichische Familienministerin Heinisch-Hosek um den Hinweis auf die „Doppelbelastung der Frau“ durch Beruf und Familie. Mangelnde Qualifikation dürften Frauen nicht zum Nachteil gereichen, weil sie durch „strukturelle Benachteiligung“ entstanden seien. Die Quote solle diesen Nachteil korrigieren. Ähnlich argumentieren Frauenbeauftragte in universitären Berufungsgremien, die minderqualifizierte weibliche Bewerber für Professuren durchsetzen wollen. Eingeräumt wird, dass es nicht um Bevorzugung von Frauen bei gleicher Qualifikation geht, sondern um Bevorzugung leistungsschwächerer Frauen.

Der Hinweis auf „strukturelle Benachteiligung“ weist darüber hinaus auf eine problematische Besonderheit hin, die auf die Hochblüte der Identitätspolitik von sexuellen und ethnischen Minderheiten der vergangenen Jahrzehnte zurückgeht. Frauen werden – wie sexuelle Minderheiten - als Mitglied einer benachteiligten Gruppe eingestuft. Aus dieser Mitgliedschaft resultiere das Recht aller Mitglieder des Kollektivs auf Unterstützung. Eine der großen Förderinnen dieser Politik war die französische Philosophin, Julia Kristeva, die sich 2001 von dieser Politik distanzierte.14

Quotenrhetorik hält hingegen starr daran fest, dass Frauen einem „Opferkollektiv“ zuzuordnen seien, das sie ihrer Subjektivität und Eigenverantwortung beraubt habe. Jenseits von individuellen und sozialen Differenzen werden Frauen durch die Beschaffenheit ihres „Genitals“, eben ihrer Anatomie, zu einem abstrakten Kollektiv vereinheitlicht. Klassenzugehörigkeit, Bildung, Ethnie und Eigenverantwortung etc. werden als Gestaltungselemente von Weiblichkeit verworfen. So gesehen ist dann sozialer Aufstieg immer ein politischer Erfolg und nie ein persönlicher.

Ganz im Gegensatz zur Frauenbewegung wurde dieser Subjektivitätsverlust von Frauen im Feminismus zu einem mächtigen Traditionsstrom verwandelt, der Frauen grundsätzlich nur als Opfer wahrnimmt. Das sei so in der Partnerschaft, der Familie, bei Konflikten, die in Gewalttätigkeit kulminieren, wie bei Scheidungskonflikten und auch am Arbeitsplatz etc. Als vereinheitlichendes Element aller Frauen bleibt ihr Opfersein, letztlich eine biologische Wesenheit. Das ähnelt eher den Vorstellungen von traditionalistisch argumentierenden Männern und Frauen. In Abwandlung einer Äußerungen von Luce Irigaray zur weiblichen Sexualität lässt sich der Kern des Vereinheitlichenden aller Frauen als im „Vaginadialog“ kulminierend beschreiben. Denn für Irigaray ist das Eindringen des Mannes in die Vagina die Quelle der Gewalt und die Zerstörung des Dialogs der Frau mit sich selber.15

Die Crux mit dem Vorbild

Nicht der Blick der Töchter auf den goldenen Rock wird sie zu Herausragendem motivieren, sondern die Teilhabe am alltäglichen Leben von Frauen, die sich anstrengen, die ihre Mängel kennen, die sich im Betrieb auf Konflikte einlassen, die Lohnerhöhungen einfordern, die bei Umorganisationen herausforderndere Position begehren und mit Krisen zurande kommen. Töchter müssen das teilnehmend erleben können. Von einer Quotenfrau lässt sich allenfalls berichten, dass die Quotenbürokratie sie nach oben befördert hat. So sein zu wollen wie erfolgreiche Frauen und Männer im Betrieb, reicht nicht aus. Ebenso wenig wie der Wunsch, es Männern einmal zeigen zu wollen, dass man es genauso gut kann wie sie. Aus Neid, Missgunst oder Rechthaberei geborene Motivationen sind nicht tragfähig. Es kommt vielmehr darauf an, dass junge Frauen sagen, ich mache das, weil mich das interessiert, andere sollen ihren Weg gehen, ich gehe meinen. Erst dieses Selbstbewusstsein und die Teilhabe an diesem anstrengenden Prozess wird andere zur Nachahmung motivieren. Die meisten jungen Frauen haben diesen Weg eingeschlagen.

Da die politische Mobilisierung für Frauenquoten in der Öffentlichkeit mangelhaft ist, dürften Unternehmen unter dem Druck der politischen Parteien zusätzliche Aufsichtsratspositionen oder Vorstandsfunktionen als Alibipositionen schaffen, die keinen unternehmerischen Schaden anrichten und deren Kosten sich im Bereich von „Peanuts“ bewegen. Mit diesem Tenor berichtet die FAZ vom 9. März 2011, Seite 10, in einer Glosse über den Vorstandsposten für die ehemalige Verfassungsrechtlerin, Hohmann-Dennhardt, durch den Vorsitzenden der Daimler AG. Eine solche ideologische Freikaufstrategie könnte eine politische Lösung sein, die politisch beschwichtigend wirkt. Genauer betrachtet handelt es sich dabei aber um eine Abwertung aller leistungsbereiten Frauen.

Dass das gut Gemeinte zum Nachteil ausschlagen kann, zeigt bereits die leistungsunabhängige Förderung von Schülerinnen durch Bevorzugung. Ihre Noten fallen gut aus, aber ihr Selbstbewusstsein leidet darunter.16 Nicht minder schwächen finanzielle Prämien für Universitäten für die Zahl ihrer weiblichen Doktoranden wie Professuren deren Selbstbewusstsein und Leistungsgewissheit. Dadurch werden Selbstzweifel ausgelöst, die Frauen im Berufsleben nicht selten aus unterschiedlichen Gründen belasten. Was bin ich wert, entspreche ich den Anforderungen oder werde ich aus Mitleid gefördert, weil mir nicht mehr zugetraut wird? Paternalistische Förderungsformen konterkarieren die Absicht, Frauen für Erfolge am Arbeitsmarkt fit zu machen und intergenerationell bedeutsame Erfahrungen an jüngere Frauen weiterzugeben. Und ebenso wird ihnen dabei die Gelegenheit genommen, die ihnen fehlenden extrafunktionalen Fähigkeiten ausreichend zu entwickeln. Weil Alibifrauen von diesen Anforderungen befreit werden, können sie diese Fähigkeiten auch nicht weitergeben; weder im Betrieb, noch an den Universitäten, in der Familie oder anderen gesellschaftlichen Institutionen.

Quotenpolitik und das Arrangement der Geschlechter

Quotenpolitik diskriminiert in erster Linie alle Leistungswilligen. Sie verstößt gegen das tragende Prinzip der Leistungsgesellschaft und unterminiert eine wesentliche Quelle des Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls von Männern und Frauen. In zweiter Linie beeinflusst sie die Art und Weise, wie Männer und Frauen sich im Alltagsleben gegenseitig begegnen. Quotenfrauen verzeichnen zwar einen Statusgewinn, aber dessen Kehrseite ist oft eine heimliche Beschämung, denn sie wissen, dass sie das Leistungsprinzip mit fremder Hilfe umgangen haben. Beschämung besteht nicht nur gegenüber Leistungsträgern, sondern ebenso, was bislang noch gar nicht erörtert wird, gegenüber Frauen, die den leistungsabhängigen Weg eingeschlagen haben. Durch die Allgegenwart der Quote im öffentlichen Gespräch wie deren innerbetriebliche Präsenz werden auch erfolgreiche Frauen tendenziell dem Zweifel unterworfen, dass sie gefördert worden sein könnten. Damit werden traditionelle Vorstellungen wiederbelebt, dass der „eigentliche Lebensbereich“ von Frauen doch Heim und Herd sei. Dieser Zweifel ist eine der bislang nicht bedachten Quotenauswirkungen, wie Frauen entlang traditioneller Sichtweisen trotz Erfolg abermals gesehen werden könnten.

Ebenso vermischt sich die quotierte Begünstigung mit der dunklen Gepflogenheit, dass eine sexuelle Beziehung zu einem Chef vorteilhaft sein kann. Womit das alte Sex-für-Aufstieg-Modell in die Nähe zur innerbetrieblichen Quotenfrau rückt. Mitunter verbirgt sich sowohl hinter den betrieblichen wie universitären Mentorsystemen eine Mischform der alten sex-related Beförderungsusance. Gerade für leistungsbewusste junge Frauen ist das ein herabsetzendes Aufstiegsmodel. Denn es legt nahe, dass sie für Erotik und Sexualität erhalten, was sie mit Leistungen nicht erreichen könnten.

Die Verknüpfung von Aufstieg mit Sex wird in der angelsächsischen Soziologie bestätigt, die 2010 den überraschenden Versuch lancierte, Frauen dazu zu ermutigen, ihr „erotic capital“ als Attraktions- und Sexualitätsvermögen zur Karriereförderung einzusetzen.17 Der für Frauen sich ergebende Marktvorteil entstünde im wesentlichen dadurch, dass weibliches sexuelles Begehren weniger intensiv als bei Männern ausgeprägt sei. Die größere sexuelle Triebhaftigkeit des Mannes (Sie wollen immer nur das eine!) sei für Frauen eine unerschöpfliche Ressource von stets sich erneuerndem „erotic capital“, die nach systematischer Verwertung rufe.

Die Selbstvermarktung des „erotic capital“ von Frauen ist eigentlich nichts Neues. Allerdings sprach man in der Vergangenheit darüber eher nicht. Als Verwertungsressource es anzupreisen, galt eher als herabwürdigend. Schönheit war hingegen als ästhetischer Reiz und Marktvorteil anerkannt. Es eröffnete in nicht unüblicher Weise im Privaten wie im Beruf den Weg nach oben durch Heirat.18 Allerdings soll die Prämie, die heute noch immer auf weibliche Schönheit von Männern geboten wird und von Frauen durch ein schwächer ausgebildetes Sexualbegehren19 sich erhöhen lässt, durch zielgerichteten Einsatz des „erotic capital“ optimiert werden.20

Es scheint mehr als fraglich, ob das dem Selbstverständnis von jungen Frauen entspricht oder ob es sich lediglich um eine nachhängende Dekonstruktionsübung mit feministischen Ideologieelementen handelt. Im Kontext der Quotenargumentation könnte das unter jungen Männern, abhängig vom familieninternalisierten Frauenbild, zu einer Neuauflage nachsichtiger Haltungen gegenüber Frauen führen. Anknüpfen würde es an überlebt gehaltene Vorstellungen, dass Eigenständigkeit Frauen nicht zugetraut werden könne und sie letzlich von den Hilfen der Männer abhängig seien. Die weitgehend untergegangene Zuvorkommenheit von Männern gegenüber Frauen ist dagegen lediglich eine rituelle Belanglosigkeit. Die Unterstützung der Quote durch Männer signalisiert hingegen den Übergang von ritueller Schonung hin zu bevormundender Hilfestellung. Frauen, die sich damit einverstanden erklären, verkörpern komplementär die althergebrachte Erwartung, von den Härten des „beruflichen Lebens“ verschont zu werden, gleichzeitig aber an deren Vorteilen teilzunehmen. Sie wollen haben, was als Erfolg glänzt, ohne sich den wenig glanzvollen Anstrengungen des Berufsalltags auszusetzen.

Die Anhänglichkeit an diese Politik scheint Ausdruck eines psychischen Generationenproblems zu sein, das im Neuen bereits angekommen ist, aber dem Alten doch noch melancholisch verbunden bleibt. Diese Ambivalenz beherrscht Frauen, die in der außerfamiliären Welt zwar ihren „Mann stehen“. Sie nehmen an dieser Sphäre teil, aber gleichzeitig möchten sie den alten beschützenden Anspruch der Familie in den Berufsalltag hinüber retten. Dass eher traditionell lebende Männer dieser Generation die Quote - wie unlängst in der CSU - unterstützen, zeigt die Befangenheit, die sich in den komplementierenden Rollen eingenistet hat. Junge Frauen in der CSU sind deshalb wohl hingegen mehrheitlich Gegner der Quote. Etwas Ähnliches können wir an den Schulen beobachten. Dort gibt es nicht nur Sonderprogramme und mädchenspezifische Lehrmaterialien, aus denen die männliche Berufswelt amputiert wurde, sie werden zusätzlich auch besser beurteilt (positive Diskriminierung). Weibliche Lehrer tun das aus einer Mischung von diffuser Frauensolidarität und projektivem Selbstmitleid. Männliche Lehrer haben andere Motive. Sie tun es aus einem diffusen Schuldgefühl, dessen Ursachen sie selber nicht begreifen.



Fußnoten:

1 Franz, M., Hardt, J., Brähler, E.: „Vaterlos. Langzeitfolgen des Aufwachsens ohne Vater im Zweiten Weltkrieg“, in: Zeitschrift für psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 3, 2007, S. 216; Dammasch, F.: „Das Vaterbild in den psychoanalytischen Konzepten zur kindlichen Entwicklung. Ein Beitrag zur aktuellen Triangulierungsdebatte“, in: Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie, 2, 2001, S. 215-243.


2 Vgl. Mitscherlich, B.: „Antisemitismus - eine Männerkrankheit?“, in: Psyche, 37. Jg. 1, 1983, S. 41-54; auch: Kiesling, B.: „Ich liebe dich – ich töte dich“, in: Psychologie Heute 07/2004, S. 48 bis 52.


3 Amendt, G.: „Warum das Frauenhaus abgeschafft werden muss“, in: Die Welt, 16. Juni 2009, letzter Zugriff 30.1.2011 www.welt.de/politik/article3936899/Warum-das-Frauenhaus-abgeschafft-werden-muss.html, und englische Version: Why Women’s Shelters Are Hotbeds of Misandry, in: Die Welt, 10. August 2009. Letzter Zugriff 30.1.2011. www.welt.de/politik/deutschland/article4295642/Why-Women-s-Shelters-Are-Hotbeds-of-Misandry.html. ; Nathanson, P. and Young, K.: Spreading Misandry, 2001 und 2006.


4 Dinnerstein, D.: Das Arrangement der Geschlechter, Stuttgart 1979.


5 Accenture:: “Reinvent Opportunity: Looking Through a New Lens”, 10. März 2011.


6 Dass viele Kinder keinen blassen Schimmer davon haben, was der Vater tagsüber getan hat, wenn er jeden Abend nach Hause kommt, hat mit der Ferne vieler Mütter zur beruflichen Welt des Vaters zu tun und der Tatsache, dass dessen Arbeit der Familienversorgung als selbstverständlich erachtet wird. Das dürfte noch immer ein weit verbreitetes Phänomen in allen Schichten sein.


7 Wottawa, H., Hiltmann, M., Mette, C., Montel, C., Zimmer, B.: Berufliche Lebensziele und Leistungspotenziale junger Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen, 2011.


8 Weininger, E.: „Zwischenruf eines Wirtschaftsexperten“, in: Der Standard, 9. März 2011, S. 35.


9 In den skandinavischen Ländern tragen vor allem Parteifrauen die „goldenen Röcke“.


10 Amendt, G.: Was Männer denken wenn sie schweigen, 2011 (im Druck).


11 Kewes, T.: „Die Wutbürgerin“, in: Handelsblatt, 1./2. April 2011.


12 Nilsen, S. and Huse, M.: “Women directors' contribution to board decision-making and strategic involvement: The role of equality perception”, in: European Management Review, 7, 2010, S. 16–29. doi: 10.1057/emr.2009.27


13 Hanappi-Egger, E.: The Triple M of Organizations: Man, Management and Myth, Wien 2011. “Wir inkludieren Frauen jetzt stärker – aber, und das ist der Punkt: immer durch den Filter der Maskulinitätskonstruktion. Das bedeutet nicht Diversität.“ Im Wiener Der Standard hat der Zukunftsforscher Horx Frauen deshalb empfohlen, sich durch Teilnahme am Kapitalverwertungsprozess nicht die Finger schmutzig zu machen, da sie für ihre idealen Entwürfe der Arbeitswelt noch keinen Raum finden würden. Danach können sich nur Frauen richten, die sich zwischenzeitlich auf einen zuverlässigen Brotverdiener verlassen können.


14 Alan Riding im Gespräch mit Julia Kristeva: “Correcting Her Idea of Politically Correct”, in: New York Times, 14. Juli 2001.


15 Zitiert in: Lau, M.: „Das Unbehagen im Postfeminismus“, in: Merkur, Jg. 52, 1998, S. 09, 919- 928 (927).


16 Mechtenberg, L.: „Warum Mädchen besser schreiben und Jungen besser rechnen können. Lob und Tadel wirken je nach Geschlecht unterschiedlich“, in: WZB, Mitteilungen 129, September 2010, S. 20ff.


17 Hakim, C.: “Erotic Capital”, in: European Sociological Review Vol. 26, Nr. 5 2010, S. 499–518.


18 Blossfeld, H.-P. & Drobnic, S. (Hg.): Careers of Couples in Contemporary Societies. From Male Breadwinner to Dual Earner Families, Oxford 2001.


19 Nach der mit empirischen Untersuchungen von C. Hakim reich unterlegten These entsteht der Marktvorteil für Frauen dadurch, dass der Verzicht auf sexuelle Aktivität von ihnen nicht als Verlust von etwas Wünschenswertem erlebt wird. Sie geben sich für Sex her, den sie eigentlich gar nicht wollen oder auf den sie zumindest leichten Herzens verzichten können. Dadurch verwandeln sie Körperzugang in Kapital!


20 Einige Radikalfeministen haben die These vertreten, wonach die Ehe mit ihrer klassischen Arbeitsteilung vom Mann als Brotverdiener und der Frau als Mutter und Ehefrau lediglich eine schlecht kaschierte Form der Prostitution sei. Mit einem Hauch sarkastischer Ironie lässt sich C. Hakim's Aufruf zur Verwertung des „erotic capital“ der Frauen derart lesen, dass aus einem traditionellen „unmoralischen Angebot“ jetzt eine kapitalismusfreundliche und diversity konforme Normalität werden möge.


Aufsätze:

Rezensionen: