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Prof. Dr. Günter Buchholz


Brauchen wir eine Frauenquote?


Bei solchen Fragen ist immer erst einmal zu klären, wer eigentlich mit “wir” gemeint ist! Angenommen, mit “wir” seien die Frauenbeauftragten bzw. Gleichstellungsbeauftragten sowie die Frauenpolitikerinnen aller Parteien und Medien gemeint. Diese Annahme wäre einleuchtend, denn diese Personengruppe verfolgt - in Verbindung mit einem gemein-samen ideologischen Überbau in Gestalt der Gender Studies - ihr politisches und ökonomisches Interesse. Daher wird die oben gestellte Frage aus ihrem Kreis mit Nachdruck bejaht werden, und Beobachtungen bestätigen das vielfach. Denn um ihres eigenen Stellen-, Einkommens- und Einflusserhaltes willen muss überall und immer Frauendiskriminierung erkannt oder zumindest behauptet werden, andernfalls wären sie überflüssig. Aus diesem Grunde auch muss immer weiter gegen eine angebliche Frauendiskriminierung gekämpft werden, und somit muss es auch Gegner geben, aber es darf zugleich niemals ein hinreichender und dauerhafter Erfolg eintreten, denn auch dann wären sie überflüssig. Es folgt, dass Frauenquoten das politisch-normative Instrument zur Durchsetzung dieser ganz speziellen Interessen sind.

Sind diese Interessen legitim? Unter der von mir hier eingeführten Voraussetzung, dass Gleichberechtigung und Nicht-Diskriminierung, obwohl sie tatsächlich nicht weltweit anerkannt werden, doch universelle Werte sind, wären sie es dann, wenn es hier und heute tatsächliche und konkret bestimmbare Diskriminierungen von Frauen gäbe, also wenn sich z. B. konkret zeigen ließe, dass gleichartige Arbeiten von Männern und Frauen  tatsächlich ungleich vergütet werden. Zumindest im öffentlichen Sektor kann davon jedoch keine Rede sein. Allerdings gab und gibt es in Gestalt der Wehrpflicht und des Wehrersatzdienstes eine angebbare konkrete Diskriminierung von Männern. Denn warum ist  jungen Frauen von der Gesellschaft noch nie zumindest die Zivildienstpflicht auferlegt worden? 

Zwar gab es aus historischer Sicht zweifellos Diskriminierungen von Frauen, aber den ersten großen Fortschritt brachte in Deutschland die Novemberrevolution von 1918/19 und den zweiten dann die gesellschaftliche Entwicklung ab 1968. Fragt man hier und heute nach noch verbliebenen Diskriminierungen, dann fällt eine Antwort schwer. Denn die Gleichberechtigung ist erfreulicherweise so gut wie erreicht. Und für die heutigen jungen Frauen ist sie längst und zu Recht eine Selbstverständlichkeit geworden. Frauenbeauftragte haben eben deshalb heute große Schwierigkeiten damit, irgendeine Diskriminierung von Frauen konkret zu belegen. Fragt man nach, dann erfolgt ein Rückzug auf eine bloß gefühlte Diskriminierung, und weil das nicht reicht, wird dann eine Flucht ins Allgemeine angetreten, mit Vorliebe durch Hinweis auf im Wortsinne fragwürdige Statistiken, die von interessierter Seite zusammen gestellt worden sind, um dann in einer Medienkampagne propagandistisch verbreitet zu werden. Und diese PR-Arbeit kann als sehr erfolgreich eingeschätzt werden. Beliebt sind z. B. unbelegte aber häufig wiederholte Behauptungen wie die angebliche Existenz einer so genannten gläsernen Decke, die speziell den Aufstieg von Frauen blockiere. Abgesehen davon, dass bekanntlich auch der Aufstieg von Männern in der Regel ein recht begrenzter ist, werden gleichzeitig die Erkenntnisse der Soziologie der Eliten (Prof. Dr. Michael Hartmann)  ignoriert.

Sie besagen, dass die Top Management Positionen fast vollständig von männlichen Mitgliedern der 3,5%-Oberschicht besetzt und sozial bzw. habituell vererbt werden, während - so kann ergänzend vermutet werden -  sich die Frauen dieser Oberschicht dem Genuss ihrer erheblichen Vermögen widmen dürften. Die Überwindung dieser gesellschaftsstrukturellen Schwelle ist daher für Aufsteiger beider Geschlechter nur sehr schwer möglich.

Da es in der politischen Realität nicht um Erkenntnis, sondern um Interessen geht, wird die durch  Frauenquotennormen bestehende Möglichkeit gern in Anspruch genommen, weil  dadurch die eigene Karriere außer Konkurrenz und mit billigender Inkaufnahme der implizierten Diskriminierung von Männern forciert werden kann.

Das eigentliche Problem besteht bei diesen Rückgriffen auf statistische Artefakte in deren normativem Gehalt. Wenn in irgendeinem Teilbereich eine Frauenquote festgestellt wird, die von dem (ca.) 50% -Anteil der Frauen in der Gesellschaft mehr oder weniger deutlich nach unten abweicht, dann wird nur deswegen eine Frauendiskriminierung behauptet. Und es wird daraus geschlussfolgert, die angeblich zu geringe Frauenquote müsse solange angehoben werden, bis ein 50%-Anteil erreicht worden sei. Es gibt sogar mindestens ein Landeshochschulgesetz, in denen eine angeblich bestehende aber gar nicht nach-gewiesene faktische Benachteiligung von Frauen als juristische Norm enthalten ist - eine logische Absurdität und vermutlich schon deswegen rechtswidrig.

Die Begründung einer solchen Norm ist aus zwei Gründen unhaltbar. Erstens werden dabei nur finanziell und auch sonst attraktive Berufe in den Blick genommen, also nicht etwa die Seefahrt, Bergwerke oder die Müllabfuhr, sondern als besonders attraktiv wahrgenommene, wie z. B. Professuren, Vorstände und Aufsichtsräte. Kurz gesagt, es wird im Widerspruch zum selbst behaupteten allgemeinen Prinzip, wonach überall ein 50%-Frauenanteil existieren solle, eine Rosinenpickerei betrieben. Die Logik unterliegt hier nicht unerwartet dem Interesse, bricht damit aber die Geltung des Arguments. Zweitens wird wider besseres Wissen völlig außer Acht gelassen, dass sich schulisch mehr oder weniger gut ausgebildete und beratene junge Leute einen Beruf oder einen Studiengang nach ihren Neigungen und ihren erwarteten Chancen selbst suchen können. Abgesehen von institutionellen Zugangsbeschränkungen haben sie prinzipiell eine freie Wahl- und Entscheidungsmöglichkeit.

Die Ergebnisse dieser Vielzahl individueller Entscheidungen können nun z. B. dazu führen, dass mehr junge Männer als junge Frauen sich für Fächer interessieren, die viel mit Naturwissenschaft und Technik zu tun haben, so dass junge Frauen in den entsprechenden Studiengängen im Sinne der 50%-Norm “unterrepräsentiert” sein mögen. Darin liegt aber kein Problem, denn eine solche Norm kann hier keine Geltung beanspruchen, sofern die Entscheidungsprozesse frei und der Zugang rechtsstaatlich geregelt und offen gehalten ist; analoges gilt für die Besetzung von Professuren.

Die Norm schlägt, wenn sie politisch dennoch geltend gemacht wird, in reinen Voluntarismus um. Bemühungen in dieser Richtung, angefangen beim girl´s day bis hin zu den Professuren, sind daher deutlich erkennbar von ideologischer Zwanghaftigkeit gekennzeichnet. Natürlich kann z. B. versucht werden, junge Frauen für technische Berufe zu werben, aber deren Entscheidung ist dann zu akzeptieren, einerlei wie sie ausfallen mag. Es gibt keinerlei Berechtigung, derartige  Wahlentscheidungen in Frage zu stellen. Geschieht es doch, dann handelt es sich um eine im Grunde absurde Anmaßung. Zu plädieren ist also statt normativer Quotenziele für freie Wahlentscheidungen.

Nun nennen sich die Frauenbeauftragten heute Gleichstellungsbeauftragte. Aber Gleichstellung ist etwas völlig anderes als Gleichberechtigung. Gleichberechtigung soll gleiche Start- und Prozesschancen sichern, Gleichstellung aber soll ein bestimmtes, vorab normativ bestimmtes Endergebnis erzeugen. Gleichstellung ist daher implizit Diskriminierung, hier von Männern, denn die Maßnahmen zielen unter Umgehung gewöhnlicher Bewerbungs- und Wettbewerbsprozesse darauf, um buchstäblich außer Konkurrenz die normativ und interessepolitisch erwünschten Ergebnisse zu erzielen.

Als Beispiel mag hier meine eigene exemplarische Beobachtung einer in Absprache mit dem Hochschulpräsidenten tatsächlich stattgefundenen Berufung einer Frau auf eine Professur mittels einer Einerliste (statt wie üblich einer Dreierliste) gelten.

Gleichstellung ist daher unakzeptabel und vermutlich auch rechtlich unzulässig.

Dieser Text ist zuerst in leicht gekürzter Fassung im Ifo-Schnelldienst 17/2010 in München  erschienen.
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