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Kevin Fuchs

Das Gleichheitsdogma

Wie eine falsch verstandene Gerechtigkeit Chancengleichheit und Wohlstand gefährdet

Gleichheit und Gerechtigkeit – in welcher Beziehung stehen diese beiden Begriffe? Für unser Empfinden bedingen sie sich einerseits, andererseits stehen sie im Widerspruch zueinander. Gewiss wollen wir anderen gegenüber nicht benachteiligt werden. Andererseits erheben wir ganz selbstverständlich den Anspruch, das zu bekommen was uns unserer Meinung nach zusteht. Dem Ideal der Gleichheit steht der mehr als menschliche Wunsch gegenüber, sich unterscheiden zu wollen, für besonderes auch besonders anerkannt zu werden. Es sind der Leistungsgedanke und der Wettbewerb, welche den westlichen Systemen zu ihrem Erfolg verholfen haben, wobei ich an dieser Stelle zwischen dem vertikalen und dem horizontalen Wettbewerb unterscheiden möchte. Auf die Bildung und die Berufswelt bezogen entspricht die Vertikale dem Bildungsniveau, dem Prestige oder der Machtfülle, die eine bestimmte Position mit sich bringt. In der Horizontalen bilden sich die jeweiligen Spezialisierungen, besondere Kenntnisse oder Erfahrungen ab, die sich ein einzelner im Laufe seines Lebens aneignet. Der Handwerker, der Ingenieur, der Arzt, der Professor – dies ist die Vertikale. Der Horizontalen hingegen entsprechen der Handwerker als Restaurateur, der Ingenieur als Brückenbauer, der Arzt als Spezialist für Gefäßerkrankungen oder der Professor als Psychologe und Fachmann für frühkindliche Entwicklung.

Der Erfolg oder Misserfolg einer Gesellschaft wird sich stets darauf gründen, wie gut oder wie schlecht es ihr mit Hilfe ihres Bildungssystems gelingt, sowohl das vertikale als auch das horizontale Spektrum auszufüllen. Eine Gesellschaft lebt von der Vielfalt ihrer einzelnen Elemente, genauer gesagt speist sie sich aus den Synergien, die sich aus den Unterschieden einzelner Individuen ergeben. Ein breit ausgefülltes Spektrum, horizontal wie auch vertikal, nutzt nicht nur der Gesellschaft als Ganzes. Es garantiert auch, dass ein jeder seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechend seinen Platz findet. Wir sind nicht gleich und wir wollen es ohnehin nicht sein. Eine Gesellschaft, die beispielsweise nur aus Akademikern besteht, kann nicht funktionieren. Eine eben solche Akademisierung weiter Bevölkerungs- schichten scheint jedoch ein heimliches Ziel nicht nur deutscher sondern auch europäischer Bildungspolitik zu sein. So verkünden Bürokraten aus Brüssel in regelmäßigen Abständen Erfolgsmeldungen, alsbald ein EU-Staat es wieder geschafft hat, den Anteil seiner Hochschulabsolventen zu erhöhen. Und natürlich sparen dieselben Bürokraten nicht mit Rügen, sollte ein anderer Staat dies einmal nicht erreicht haben. Der Akademikeranteil ist, so scheint es, zum Maß aller Dinge geworden.

Hierzulande hat dieser Titel-Fetisch bereits wüste Spuren im Bildungssystem hinterlassen. Die Entscheidung, ob Haupt-, Realschule oder Gymnasium, ist bei vielen Eltern mittlerweile der blanken Sorge gewichen, ob „Gymnasium oder nicht Gymnasium" – „future or no future". So entwickelt sich das Gymnasium zur neuen Schule für alle, die darunter liegenden Schulformen verlieren zunehmend an Bedeutung. Die Folge ist eine fortschreitende Verflachung sowohl der Gymnasial- als auch der Hochschulbildung. Schließlich soll ein solches Bildungssystem auch Absolventen hervorbringen und muss sich demgemäß an den schwächeren Gliedern ausrichten. Unter anderem äußert sich das in einem steten Absinken der Notenspiegel. Unternehmen beklagen fortlaufend die wachsende Anzahl an Bewerbern, die als nicht ausbildungsfähig anzusehen sind. Das Paradoxe hieran ist, dass eben diese Bewerber oftmals durchaus gute Zeugnisse vorweisen. Diese Zeugnisse aber spiegeln immer weniger die realen Fähigkeiten der Bewerber wider.

Ein solches System ist nicht mehr in der Lage, das für die Gesellschaft notwendige Spektrum an Qualifikationen heranzubilden. Während die Spitze nach unten in den Mittelbau rutscht und letzterer immer weiter anschwillt, entsteht in der Vertikalen ein immer breiter werdender Bodensatz, angereichert mit jenen, für die in diesem System schlicht kein Platz geblieben ist. In chronisch vernachlässigten Hauptschulen bleiben ihre Potentiale ungenutzt. Unser Bildungssystem hat an Granularität verloren und ist darum nicht mehr in der Lage, diesen Menschen einen ihren Fähigkeiten zugeschnittenen Platz zuzuweisen. Jene Kräfte, die eigentlich Gleichheit anstreben, erreichen in diesem Sinne das Gegenteil: die Proletarisierung einer ganzen Bevölkerungsschicht.

Die besagte Granularität fehlt in derselben Weise auch in der horizontalen Richtung: während Hochschulabsolventen früher ein breites Portfolio unterschiedlichster Spezialisierungen aufwiesen, gilt es heute, sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu begnügen. So gibt es Unternehmer, die sich damit abfinden müssen, bedarfsweise längst pensionierte Mitarbeiter zu reaktivieren, weil viele junge Ingenieure gerade noch dazu taugen, Baupläne am Computer zu zeichnen, derweil sie aber nicht im Stande sind, den Aufbau einer Maschine von Grund auf nachzuvollziehen. Und ein mancher altgedienter Banker wundert sich darüber, dass nicht wenigen BWL-Absolventen heute Aufgaben zugeteilt werden, die vor dreißig Jahren noch ein einfacher Kaufmann zustande brachte. Ein Bildungssystem aber, das quasi Kaufleute und technische Zeichner aufwändig in Hochschulen ausbildet, ist schlicht und ergreifend unökonomisch. Die Diskussion um den Fachkräftemangel wird vor diesem Hintergrund falsch geführt. Das Problem besteht weniger darin, dass etwa zu wenige Ingenieursabsolventen zur Verfügung ständen. Vielmehr gibt es ihrer zwar in ausreichender Menge, vielen von ihnen aber fehlen die notwendigen, vertieften, spezialisierten Fähigkeiten. Kurz gesagt existiert das Problem weniger in der Vertikalen, eher handelt es sich um einen horizontalen Fachkräftemangel.

Auf diese Weise zersetzt der Hang zur Gleichmacherei nach und nach unser Bildungssystem. Zu alledem gesellt sich seit einiger Zeit ein besonderer Eifer, die Gesellschaft durch Zwang zur Gleichheit führen zu wollen. In den Vereinigten Staaten sind derlei Maßnahmen unter dem Begriff „Affirmative Action" bekannt, hierzulande nennt man es „positive" Maßnahmen. Diese sind im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz festgeschrieben und beinhalten jede Form gruppenbezogener Fördermaßnahmen und Begünstigungen zur Beseitigung von Diskriminierung, auch Quoten gehören dazu. Demgemäß ist laut Gesetz die gezielte Diskriminierung einer Gruppe zulässig, sofern dies zur Beseitigung von Benachteiligungen einer anderen Gruppe führt. Diese Maßnahmen werden beinahe als Allheilmittel gegen Diskriminierung verstanden, ihre Architekten und Verfechter unterliegen allerdings schweren Fehlschlüssen. Die Idee, den Privilegierten etwas zu nehmen um den Benachteiligten etwas zu geben, erweist sich als allzu simpel.

Beginnen wir damit, uns hierzu eine Bevölkerungsgruppe A und eine Gruppe B vorzustellen. Von Gruppe A seien fünf Prozent von Arbeitslosigkeit betroffen, bei B seien es dagegen 10 Prozent. Da B eine doppelt so hohe Arbeitslosenquote aufweist, ist es an dieser Stelle zulässig, von B als der benachteiligten Gruppe zu sprechen. Eine klassische „positive" Maßnahme bestünde in der gezielten, pauschalen Förderung aller Angehörigen der Gruppe B. Obgleich aber das Phänomen in der Gruppe B häufiger auftritt, ist ihr überwiegender Teil weder von Arbeitslosigkeit betroffen noch bedroht. Diese Mehrheit wird demnach ungerechtfertigterweise gegenüber allen Angehörigen der Gruppe A bevorteilt. Der grundlegende Konstruktionsfehler „positiver" Maßnahmen liegt folglich darin, dass unzulässigerweise von der Benachteiligung einer Gruppe auf jene eines Individuums geschlossen wird. Es werden hierdurch mehr Benachteiligungen geschaffen, als beseitigt. Darüber hinaus setzen „positive" Maßnahmen erst dann an, wenn Benachteiligungen bereits ihre Wirkung entfaltet haben, sofern es sich im jeweiligen Falle überhaupt um Benachteiligungen handelt und nicht etwa um schlichte, gruppenspezifische Präferenzen. Behoben werden hier allenfalls die Symptome, nicht aber die zu Grunde liegenden Ursachen. Einem Migranten beispielsweise nutzt keine Quote und auch sonst keine „positive" Maßnahme, wenn er auf Grund etwaiger Sprachprobleme keinen angemessenen Schulabschluss erreichen konnte. Derselbe Migrant steht bei der Auswahl für eine qualifizierte Stelle genauso wenig zur Verfügung wie die Frau, welche im Gegensatz zu ihm zwar nicht benachteiligt ist, sich aber bereits früh für ein Literaturwissenschaftsstudium entschieden hat. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass unter den Angehörigen solcher Gruppen zu wenige zur Verfügung stehen, als dass mittels „positiver" Maßnahmen Gleichheit geschaffen werden könnte, ohne dabei auch geringer Qualifizierte bevorzugen zu müssen. Führen wir uns an dieser Stelle vor Augen, dass „positive" Maßnahmen dazu dienen, statistische Gleichheit herzustellen, aber eben nicht Chancengleichheit.

Die zunehmende Implementierung „positiver" Maßnahmen ist das eine Phänomen, die fortschreitende und durchaus politisch gewollte Auflösung der vertikalen und horizontalen Granularität unseres Bildungssystems ist das andere. Beiden Phänomenen liegt jedoch ein und dieselbe Ursache zu Grunde: nämlich das mantrische Dogma von der Gleichheit aller Menschen. Gleich seien Menschen demnach in all ihren Anlagen und Fähigkeiten, und diese Gleichheit aller habe sich auch in den gesellschaftlichen Strukturen widerzuspiegeln. Gleich sind Menschen jedoch in ihrem Wert und in ihren Rechten, niemals aber in ihren Talenten und Neigungen. Ob genetisch oder kulturell bedingt, nichts ist natürlicher als der Unterschied und nichts ist freiheitsfeindlicher als Gleichheit. Unter der Prämisse einer falsch verstandenen Gerechtigkeit wird heute jedweder Unterschied zwischen verschiedenen Gruppen sogleich als Beleg für Diskriminierung angesehen. Kulturell oder geschlechtsspezifisch bedingte Präferenzen scheinen in diesem Denksystem nicht zu existieren. Die Frage, ob Unterschiede tatsächlich das Ergebnis von Benachteiligung sind oder lediglich gruppenspezifischen Präferenzen geschuldet sind, wird nicht gestellt. Allenfalls werden Unterschiede letzteren Ursprungs als das Produkt struktureller Diskriminierung interpretiert, keineswegs aber will man sie anerkennen. Dass hier etwas nicht stimmen kann, zeigt ein Blick auf die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes. Frauen arbeiten vermehrt im sozialen und im Dienstleistungssektor, während Männer betont in technischen und produzierenden Bereichen tätig sind. Interessanterweise aber tritt dieser Effekt besonders in den westlichen Industrienationen zu Tage. Je demokratischer, fortschrittlicher und wohlhabender ein Land, desto stärker sind derlei geschlechtsspezifische Unterschiede ausgeprägt. In Ländern wie Iran, Kuweit, Saudi Arabien, Jordanien oder Libanon ist der Anteil von Frauen in technisch orientierten Studiengängen und Berufen um ein vielfaches höher als beispielsweise in sämtlichen EU-Ländern oder den Vereinigten Staaten. Einer der Gründe hierfür ist durchaus in der Freiheit westlicher Systeme zu suchen, die es jedem einzelnen ermöglicht, seinen persönlichen Neigungen nachzugehen. Ein in Mode gekommenes Gleichheitsdogma will solche Unterschiede hingegen nicht dulden und „positive" Maßnahmen sind nun ein Instrument, mit welchem man sie zu beseitigen versucht.

Weit über das bis hier dargelegte hinaus bergen „positive" Maßnahmen eine von kaum jemandem erkannte Gefahr. Wer nämlich die Privilegierten diskriminieren will, um die Benachteiligten zu fördern, der muss selbstverständlich in der Lage sein, die Privilegierten von den Benachteiligten zu unterscheiden. Wir werden im Folgenden sehen, dass diese zunächst einfach erscheinende Aufgabe sich als unlösbar erweisen kann und hier große Irrtümer begangen werden, die ebenso große Ungerechtigkeiten zur Folge haben. Ich werde dies anhand geschlechtsspezifischer Benachteiligungen aufzeigen und ich wähle dieses Beispiel aus mehrerlei Gründen. Zunächst bilden Männer und Frauen die markantesten, gesellschaftlichen Pole mit den deutlichsten Gegensätzen. Wohl auch darum ist kaum eine Debatte von solchen Zerwürfnissen durchzogen wie die der Geschlechterfrage. An keinem anderen Beispiel wird zudem deutlich, welche enormen Umverteilungen „positive" Maßnahmen zur Folge haben und welch großer Schaden entsteht, sofern diese Umverteilung unter falschen Prämissen stattfindet. Über all dem wird die Erkenntnis stehen, dass die Geschlechterdebatte wie keine andere von Mythen, Trugschlüssen und Fehldeutungen, wenn nicht gar von blanken Lügen geleitet ist.

Wie also lassen sich die Privilegierten von den Benachteiligten unterscheiden? Um diesem Problem Herr zu werden, bedient man sich in den Sozialwissenschaften bestimmter Indikatoren, die Aufschluss über die gesellschaftliche Stellung einer Gruppe geben können. Die richtige Wahl und Handhabung solcher Indikatoren sollte sicherstellen, dass sich tatsächliche Benachteiligungen und gruppenspezifischen Präferenzen voneinander unterscheiden lassen. Unter Anderem sind solche Indikatoren Arbeitslosenquote, Unfallquote, Lebenserwartung, Suizidrate und Kriminalitätsrate. Schwarze etwa weisen in den USA bei diesen Indikatoren deutlich schlechtere Werte auf als Weiße. Dasselbe gilt für Migranten oder für Menschen aus den unteren sozialen Schichten. Angenommen Frauen seien gesellschaftlich schlechter gestellt als Männer, so müsste dieser Zusammenhang auch hier gelten. Ist dem so? Schneiden Frauen bei diesen Indikatoren schlechter ab? Nein, es ist umgekehrt. Nähme man diese Indikatoren als Grundlage und dächte man an dieser Stelle konsequent zu Ende, so müsste man zu der Annahme gelangen, dass es wohl keine Bevölkerungsgruppe gibt, die so privilegiert ist, wie weiße Frauen in Europa oder Nordamerika. Gleichsam sind Europa und Nordamerika genau jene Teile der Welt, in denen der Feminismus die größte Deutungsmacht erlangt hat und in denen, wie sonst nirgendwo, der Glaube an die Frau als das benachteiligte Geschlecht zur Lehrmeinung geworden ist.

Tatsächlich aber sind es die Männer, welche bei den genannten Indikatoren durchweg schlechtere Werte aufweisen als Frauen. Sie begehen drei bis viermal häufiger Suizid als Frauen, haben eine im Schnitt fünf bis sechs Jahre geringere Lebenserwartung, leiden deutlich häufiger an Berufskrankheiten und Suchterkrankungen, stellen zwei Drittel aller Gewaltopfer und die Mehrheit unter den chronisch Kranken. Hierzulande verlassen sie die Schule doppelt so häufig ohne Schulabschluss, bilden die große Mehrheit an den Haupt- und Sonderschulen, und nicht nur Kriminalität ist männlich, auch Obdachlose sind zu 90 Prozent Männer. Die Spitze der Gesellschaft mag männlich sein, dies täuscht aber darüber hinweg, dass auch ihr Bodensatz den Männern vorbehalten ist. Und schließlich ist der Bodensatz erheblich breiter als die Spitze, es gibt mehr Männer, die ganz unten stehen, als solche die ganz oben sind.

Der Zusammenhang zwischen den genannten Indikatoren auf der einen und gesellschaftlicher Stellung auf der anderen Seite wird gemeinhin anerkannt, gleich auf welche Bevölkerungsgruppe man sich bezieht. Sobald es aber um Männer geht, gilt dies interessanterweise nicht mehr. Stattdessen werden plötzlich die irrwitzigsten Konstrukte bemüht, um diese Zusammenhänge zu leugnen. Wo immer Frauen schlechter gestellt zu sein scheinen als Männer, ist die Gesellschaft, respektive das sogenannte Patriarchat schuld. Sind hingegen Männer hier oder dort schlechter gestellt als Frauen, so müssen Männer wohl selbst Schuld daran tragen. Diese Denkweise mag populär sein, logisch ist sie nicht. Dass Männer als Menschen und soziale Wesen genauso den soziokulturellen Bedingungen und Einflüssen ihres Umfeldes unterliegen, will offenbar niemandem so recht einleuchten. Kaum einer bliebe ungestraft, käme es ihm in den Sinn, Schwarzen oder Migranten angesichts ihrer kürzeren Lebenserwartung vorzuhalten, sie würden sich nicht um ihre Gesundheit kümmern oder "Raubbau an sich betreiben". Man stelle sich vor, einer würde es wagen, solchen Minderheiten in Hinblick auf ihre im Schnitt schlechteren Schulabschlüsse Faulheit vorzuwerfen. Natürlich geschieht dies oft genug. Wenn es jedoch passiert, lässt das gesellschaftliche Korrektiv selten auf sich warten. Bei Jungen und Männern dagegen schweigt dieses Korrektiv, es existiert in ihrem Falle nicht. Ebenso würde es nicht hingenommen, wenn Gewalt zu einer türkischen oder schwarzen Wesensart erklärt würde, nur weil Schwarze in den USA und türkische Migranten in Deutschland eine statistisch höhere Kriminalitätsrate aufweisen. Aber Gewalt pauschal zu einem "männlichen Prinzip" zu erheben, ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Allzu simple Schuldzuweisungen genau dieser Art sind es, die Männer stumm machen, derart indoktriniert sind Männer schlicht nicht in der Lage, ihre Benachteiligungen zu erkennen, geschweige denn sich zu artikulieren.

Die Benachteiligung der Frau ist somit kein unumstößliches Faktum, sondern vielmehr das Produkt einer verzerrten Perspektive. Wir unterliegen hier einem Trugschluss. Nur weil allerorts und jederzeit erschöpfend über die Probleme und Belange von Frauen gesprochen und geschrieben wird, nur weil ihnen eigene Frauenreferate, Frauenbüros, sowie Sozial- und Familienministerien zur Verfügung stehen, die maßgeblich weibliche Belange im Blick haben, nur weil ein ganzes Netz von Gleichstellungsbeauftragten exklusiv weibliche Interessen vertritt, heißt das nicht, dass all diese Maßnahmen auch zwangsläufig ihre Berechtigung haben, ihre bloße Existenz ist kein Beleg für die Benachteiligung der Frauen. Es bedeutet zunächst nicht mehr als dass wir uns ausschließlich für die weibliche Seite zu interessieren scheinen. Dadurch, dass weibliche Benachteiligungen stetig ins Rampenlicht gerückt werden, während man die männliche Seite kategorisch ausblendet, entsteht lediglich der Eindruck, Frauen seien die einzig Benachteiligten - eine simple Täuschung.

Dass Männer mit ihren Belangen totgeschwiegen werden, beweist im Grunde sogar das Gegenteil: Männer sind die Diskriminierten. Die Marginalisierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe, sprich ihre Probleme nicht zu thematisieren und ihnen im gesellschaftlichen Diskurs keinen Raum zu geben - all dies ist schließlich ein grundlegender Wesenszug von Diskriminierung. Es ist wichtig zu verstehen, dass dem ein Mechanismus inneliegt, der Diskriminierung in vielen Fällen überhaupt erst ermöglicht. Nimmt man einem Menschen offen seine Rechte, verletzt oder demütigt man ihn, so ist dies eine anklagbare und belegbare Handlung. Bloßes Schweigen und Ignoranz hingegen sind lautlose und unsichtbare Mittel zur Ausgrenzung. Im besten Falle weiß der Ausgegrenzte um das, was um ihn herum geschieht oder zumindest ahnt oder spürt er es. Es aber zu benennen und zum Vorwurf zu erheben, wird ihm kaum gelingen.

Im Falle der Männer führt diese Strategie bisweilen sogar dazu, dass sie ihre eigenen Benachteiligungen als solche erst gar nicht wahrnehmen. Die meisten Menschen haben die Probleme sehr wohl vor Augen, gewisse Dinge lassen sich nun mal nicht leugnen. Dennoch gelingt es ihnen nicht, das vor ihnen liegende in den Kontext "Benachteiligung" einzuordnen. Sie sind diese Sicht- und Denkweise nicht gewohnt. Schließlich hat man ihnen stets beigebracht, Frauen seien benachteiligt, aber doch nicht Männer. Die Begriffe Frau und Benachteiligung sind in ihren Köpfen derart fest verdrahtet, dass sich das Bild von den unterdrückten Frauen und den hegemonialen Männern in ihrer Vorstellung bereits zu einer axiomatischen Wahrheit verdichtet hat. Der Glaube, Frauen seien die Unterdrückten, wird von vielen Menschen mit derselben Selbstverständlichkeit getragen, wie etwa die Tatsache, dass der Himmel blau ist und Regen stets nach unten fällt. Entsprechend ist jeder Versuch, den Blick eines solchen Menschen auch für männliche Benachteiligungen zu schärfen, zum Scheitern verurteilt. Benachteiligungen von Männern werden entweder schulterzuckend hingenommen, es wird ihnen selbst die Schuld dafür gegeben oder es wird als ausgleichende Gerechtigkeit für die angeblich noch viel umfassenderen Benachteiligungen von Frauen angesehen. Das Prinzip menschlichen Begreifens entspricht weniger dem der eigenen Erkenntnis, sondern eher dem der Prägung. Der Himmel ist nicht grün, Regen fällt nicht nach oben und Männer sind nicht benachteiligt - noch Fragen?

Die Debatte um Frauenquoten in Führungspositionen liefert ein aktuelles und anschauliches Beispiel, wie diese Marginalisierung männlicher Anliegen von statten geht und welche Absurditäten hier bisweilen zu Tage gefördert werden. Die Frauenquote ist nichts weiter als ein Dekadenzphänomen. Hier werden Luxusbedürfnisse einer kleinen elitären Gruppe hochqualifizierter Frauen befriedigt. Öffentlichkeit und Politik tanzen um die kleine goldene Spitze ganz oben, während der breite, männliche Bodensatz ganz unten schlicht nicht wahrgenommen wird. Es mag sein, dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind. Im Hinblick auf die doppelt so hohe Anzahl männlicher Schulabbrecher muss gesagt sein, dass demgegenüber eine ganze Armee von Männern steht, welche nicht einmal den Sprung in den regulären Arbeitsmarkt schaffen. Für eine Quotenprofessur aber spendiert der Staat bis zu 150000 Euro jährlich aus dem Professorinnenprogramm. Die Förderung einer solchen Professur setzt die vorherige Umsetzung eines Gleichstellungsplanes an der Hochschule voraus. Dieser beinhaltet vielerlei frauenbezogene Maßnahmen zur Karriereförderung, der Erhöhung des Studentinnenanteils und Mentoringprogramme, um nur wenige zu nennen. Setzt die jeweilige Hochschule diesen Plan um, kann sie sich für das Professorinnenprogramm qualifizieren. Die durch die Förderung der Professuren freiwerdenden Haushaltsmittel muss die Hochschule dann wiederrum für frauenfördernde Maßnahmen verwenden. Schlussendlich wurde hier ein sich selbst speisender Apparat geschaffen, der im Ansatz einem Schneeballsystem gleicht. Von einem solchen Perpetuum Mobile wagen Einrichtungen, die sich um wirklich Benachteiligte kümmern, nicht einmal zu träumen. Wir stehen hier also nicht nur einem Wahrnehmungs- sondern auch einem handfesten Verteilungs- und Gerechtigkeitsproblem gegenüber.

Wir sind nun an einer zentralen Frage angelangt: Welche Gruppe ist benachteiligt und welche ist privilegiert. Dies aber wird im Wesentlichen durch einen gesellschaftlichen Konsens bestimmt. Die Gesellschaft scheint sich einig darüber, dass Frauen und nicht Männer benachteiligt sind. Daraus leitet sie ab, dass es ausschließlich Frauen sein sollen, die in den Genuss von Fördermaßnahmen kommen sollen. Dass man sich über etwas einig ist, bedeutet allerdings noch lange nicht, dass dieser Konsens auch die Wirklichkeit abbildet. Man mag mir diesen harten Vergleich nachsehen, aber zur Zeit der Rassendiskriminierung war es ebenso gesellschaftlicher Konsens, dass die Diskriminierung von Schwarzen ihre Richtigkeit habe. Wäre dem nicht so gewesen, hätte die Rassendiskriminierung nicht funktioniert. So und nur so wird das gesellschaftliche Korrektiv ausgeschaltet. Dann und nur dann wird der Weg frei zu einer von der gesamten Gesellschaft getragenen Diskriminierung einer ganzen Bevölkerungsgruppe.

Der gesellschaftliche Konsens kann demzufolge zur Grundlage und zum Werkzeug von Diskriminierung werden. Aus diesem Grunde wurden einst Antidiskriminierungsgesetze geschaffen, die unmissverständlich jedwede Diskriminierung auf Grund des Geschlechts, der Ethnie, der Hautfarbe, der sexuellen Orientierung usw. verbieten. Das Wesentliche an diesen Gesetzen ist, dass sie durch die Klarheit und Kompromisslosigkeit ihrer Formulierungen die Deutungshoheit darüber, was Diskriminierung ist, allein dem Staat respektive seiner Verfassung unterstellen. Die Definitionen sind somit derart festgegossen und unverrückbar, dass der gesellschaftliche Diskurs keinen Einfluss mehr darauf hat, wer als benachteiligt, privilegiert, über- oder untergeordnet anzusehen ist. Damit wurde der Diskriminierung ein wichtiger Treibstoff entzogen.

Ein ebenfalls bedeutender Aspekt liegt in der Loslösung des Diskriminierungsbegriffes vom Kollektiv. Demnach leiden nicht die Schwarzen, die Migranten oder die Homosexuellen als jeweilige Gruppe unter Diskriminierung, sondern ein Einzelner wird als Individuum aufgrund seiner Hautfarbe, seiner Ethnie oder seiner Sexualität diskriminiert. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass Diskriminierung in sozialen Kontexten stattfindet und den einen Vertreter einer Gruppe betreffen können und den anderen nicht. Die Verankerung von „positiven" Maßnahmen im Gesetz macht all dies wieder zunichte. Zunächst wird Diskriminierung wieder auf das Kollektiv bezogen, „positive" Maßnahmen wie Quoten beziehen sich auf ganze Gruppen statt auf Individuen. Verheerender ist jedoch, dass die Deutungshoheit darüber, wer welchen Vorrang genießt, wieder zurück an den öffentlichen Diskurs gegeben wird. Denn die Frage, wem solcherlei Maßnahmen zuteilwerden sollen, wird nicht vom Gesetz festgelegt, diese Aufgabe obliegt offensichtlich der Gesellschaft.

Ein allgemeines Gleichbehandlungsgebot, welches auf jeden in derselben Weise anzuwenden ist und keine Abweichungen oder Ausnahmen zulässt, sorgte bisher dafür, dass das Recht eines jeden einzelnen gewahrt blieb, unabhängig von der öffentlichen Meinung. Da nun in Gestalt „positiver" Maßnahmen Ausnahmen gelten, verliert das Gleichbehandlungsgebot plötzlich seine Allgemeingültigkeit und es ist wieder die Gesellschaft, die darüber entscheidet, wer bevorzugt werden soll und wer nicht. Um es in aller Klarheit zu sagen: hätte es „positive" Maßnahmen bereits zu Zeiten der Rassendiskriminierung gegeben, so wären sie ein mächtiges Instrument gewesen, um Schwarze noch umfassender zu diskriminieren und zu verfolgen. Der gesellschaftliche Konsens hätte entschieden, dass Weiße die Opfer der Schwarzen wären und demzufolge die Weißen in den Genuss „positiver" Maßnahmen zu gelangen hätten. Denn dies entsprach in der Tat der damaligen, weißen Weltsicht.

Quoten und andere „positive" Maßnahmen versuchen, Diskriminierung durch gezielte, umgekehrte Diskriminierung zu kompensieren. Das Diskriminierungs- verbot, das der Staat sich selbst und seinen Bürgern auferlegt, wird hierdurch in sich selbst aufgebrochen und zum Gegenteil verkehrt. Aus einem Instrument gegen Diskriminierung wird eines, das Diskriminierung erzeugt. Der große Irrtum, der hier begangen wird, liegt in der Annahme, der Staat werde ein solches Werkzeug nur in besonnener und wohldosierter Weise anwenden, der Staat wisse schon was er tue und komme seiner Pflicht zur Sorgfalt nach. Der Staat ist hierzu aber überhaupt nicht in der Lage, er kann dieses Instrument nicht kontrollieren. Dies, so haben wir gesehen, erledigt nämlich der gesellschaftliche Konsens, er bestimmt über die Profiteure und die Opfer solcher Maßnahmen. Die Profiteure sind schnell ausgemacht. Es sind schlicht und ergreifend all die Gruppierungen, welche es am geschicktesten verstehen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Kurzum sind es jene, die ihre Benachteiligung am glaubwürdigsten und am lautstärksten verkaufen können, ganz gleich ob sie wirklich benachteiligt sind oder nicht.

Wie so etwas aussehen kann, zeigt uns die Penetranz, mit der feministische Pressure Groups bis heute den Mythos der Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern verbreiten. Seit langem ist davon die Rede, dass Frauen für die gleiche Arbeit 23 Prozent weniger Lohn bekämen. Dazu wurde eigens der alljährliche "Equal Pay Day" ins Leben gerufen, um uns an diese angebliche Diskriminierung zu erinnern. Jedoch stellte das statistische Bundesamt bereits bei der Veröffentlichung dieser Zahlen klar, dass sie nichts über die Gründe des Lohnunterschiedes aussagen. Vielmehr wurde ohne Rücksicht auf Faktoren wie Branche, Berufserfahrung, Teilzeitquote oder Überstundenanzahl lediglich der bloße Durchschnittslohn beider Geschlechter erhoben. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass Frauen sich offensichtlich öfter für Arbeitsverhältnisse mit flexiblen Arbeitszeiten und wenig Überstundenpotential entscheiden. Sie sind häufiger teilzeitbeschäftigt, auch wenn sie keine Kinder versorgen. Zudem arbeiten Männer häufiger in gefährlichen und körperlich anstrengenden Berufen, was sich bei ihnen in einer höheren Vergütung auch bei gleichem Ausbildungsniveau niederschlägt. Darüber hinaus entscheidet auch die geschlechtsspezifische Berufswahl über den Verdienst. Es handelt sich also mitnichten um weniger Geld für gleiche Arbeit. Der Lohnunterschied lässt sich nahezu vollständig aus Faktoren erklären, die mit geschlechtsspezifischen Präferenzen bei Lebensweg und Berufswahl zusammenhängen. Dennoch hält sich dieses Mantra bis heute hartnäckig. Ein Großteil der Bevölkerung glaubt bis heute daran und selbst manches "Qualitätsmedium" ist sich nicht zu schade, diesen Ladenhüter wieder und wieder hervorzuholen. Umfassende Medienkampagnen haben hier die öffentliche Meinung geprägt und dazu beigetragen, dass dabei ein Bild von Lohn-Diskriminierung gewachsen ist, das nicht der Wirklichkeit entspricht.

Werden nun beispielsweise vor solch einem Hintergrund „positive" Maßnahmen verordnet, mittels derer die angeblich benachteiligte Gruppe gefördert und die scheinbar Privilegierten diskriminiert werden sollen, so wird allgemein deutlich, welch gefährliches Potential sich hinter derartigen Maßnahmen verbirgt. Sie begünstigen Lobbygruppen, welche ihre Interessen am öffentlichkeitswirksamsten forcieren können. Hingegen werden genau diejenigen in ihren Interessen verletzt, welche die öffentliche Meinung nicht hinter sich vereinen können. Unter Umständen trifft es also genau jene Menschen, für welche die Antidiskriminierungsgesetze ursprünglich gedacht waren. Der Benachteiligten-Status wird zum begehrten, mit Privilegien versehenen Bonus. Und die Frage, wer in unserer Gesellschaft tatsächlich benachteiligt ist, wird auf diesem Wege zum Machtfaktor. Ermöglicht wird dies vor allem durch die Verknüpfung des Diskriminierungsbegriffs mit ganzen Gruppen statt des Individuums.

Quoten sind ein offensichtliches Instrument, um Macht und Privilegien gezielt zu verteilen. Es bedarf jedoch keiner Quoten, um dies zu bewirken. Der Begriff der „positiven" Maßnahme umfasst allgemein jede Art von bevorzugter Behandlung. Ebenso kann dies beinhalten, dass bestimmte Fördermittel davon abhängig gemacht werden, wie hoch der Anteil von Frauen oder Minderheiten in einer Organisation ist, beziehungsweise wie intensiv diese gefördert werden. Von manchen EU-Politikern wurde bereits angedacht, dieses Prinzip auf die Privatwirtschaft anzuwenden und Subventionen unter solchen Maßgaben zu vergeben. Des Weiteren muss eine Quote auch nicht expliziter Natur sein, es kann sich dabei genauso gut um die vage Zielvorgabe handeln, den Anteil dieser oder jener Gruppe irgendwie zu erhöhen.

Die hinter alledem verborgenen Ziele mögen edel sein. Die Werkzeuge aber, derer man sich bei der Umsetzung bedient, bewirken Gegenteiliges. Statt Diskriminierung zu bekämpfen, wird diese erzeugt und staatlich legitimiert. Grundlage all dessen ist der Irrglaube, Gerechtigkeit durch Gleichheit bewirken zu können. Demgemäß richtet sich das Augenmerk nicht auf die Gewähr gleicher Chancen, sondern lediglich auf schlichte Ergebnisgleichheit. Hinzukommend geschieht dies auf selektive Weise. Wie im Falle von Frauen und Männern wird nur dort Gleichheit geschaffen, wo es gemäß dem gesellschaftlichen Konsens gewünscht wird. Und dieser, so haben wir gesehen, ist letzten Endes der Ursprung einer jeden gesellschaftlichen Diskriminierung. Überdies, und auch das wurde deutlich, kann Gleichheit kein erstrebenswertes Ziel für eine Gesellschaft sein. Ihr Erfolg und ihre Vitalität, ebenso ihre Fähigkeit zur Wandlung liegen in ihrer Vielfalt begründet.

Ich verlange nun dreierlei: Erstens muss endlich eine breite, öffentliche Debatte nicht nur um Quoten, sondern ebenfalls über „positive" Maßnahmen im weitesten Sinne angestoßen werden. Zweitens müssen wir uns davon lösen, Gerechtigkeit mit Gleichheit zu verwechseln. Dies beinhaltet insbesondere die Anerkennung und Wertschätzung gruppenspezifischer Unterschiede, sofern sie nicht durch Diskriminierung verursacht werden. Drittens gilt es in diesem Sinne, Bildung nicht länger als Ressource zu betrachten, sondern als Spiegel unserer Talente und Neigungen. Diese wiederum sind Bestandteile unserer Persönlichkeit und unserer Identität. Sie entspringen uns und können weder aufgeprägt, noch ausgetauscht, noch umverteilt werden. Wer es dennoch versucht, kann dies nur durch Zwang erreichen und wird folglich scheitern.


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